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D.A. (Doris) Klüsener
D.A. (Doris) Klüsener Rechtsanwältin
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Erbausschlagung Niederlande-Deutschland

Erbausschlagung Niederlande-Deutschland: Anerkennung vom Nachlassgericht

Lesezeit: 5 Minuten | Datum der Publikation: 27-06-2022 | Typ: Blog/Artikel

Auch im internationalen Kontext kommt es vor, dass Erben ihr Erbe ausschlagen wollen. Doris Klüsener ist deutschsprachige Rechtsanwältin für Erbrecht und arbeitet in den Niederlanden. Sie stellt Ihnen im Folgenden einen Fall aus Holland und Deutschland vor, der Auswirkungen auf Nachlassangelegenheiten und Erbausschlagungen im deutsch-niederländischen Kontext hat.

Erbausschlagung Niederlande-Deutschland

EuGH-Entscheidung zur Erbausschlagung im Ausland

Der EuGH hat jüngst am 2.6.2022 in einer - auch für das deutsch-niederländische Erbrecht - relevanten Vorlagefrage entschieden. Im Kern geht es um die Frage, ob die in einem EU-Mitgliedsstaat seitens eines dort wohnhaften Bürgers formgerechte erfolgte Erbausschlagung in einem (anderen) EU-Staat nach dessen Erbrecht anzuerkennen ist. Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zu Grunde, welcher von dem Hanseatischen Oberlandesgericht Bremen vorgelegt worden war:

 

Ausschlagung eines Erbes in Deutschland von zwei Niederländern

Ein niederländischer Staatsangehöriger hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und verstarb in 2018 in Bremen. Auf das eigentliche Erbstatut ist deutsches Recht anwendbar, eine letztwillige Verfügung wie z.B. ein Testament war nicht vorhanden. Zwei Neffen des Erblassers mit gewöhnlichem Aufenthalt in den Niederlanden haben vor dem niederländischen Gericht die Erbschaftsausschlagung erklärt, die auch in das niederländische Nachlassregister eingetragen wurde. Das Amtsgericht Bremen ist hierüber in Kenntnis gesetzt worden, indem Kopien und später auch Übersetzungen dieser Ausschlagungserklärungen dorthin eingereicht wurden. Das Amtsgericht Bremen hat die Ansicht vertreten, dass die Erbschaft von Seitens der Neffen angenommen worden ist, da die in den Niederlanden erfolgte Ausschlagung nicht formgerecht erfolgt sei. Die Neffen haben hiergegen Rechtsmittel eingelegt, die Sache ging zum OLG, welches dem EuGH Vorfragen vorgelegt hat.

 

Deutsches Nachlassgericht muss niederländische Erbausschlagung anerkennen

In Deutschland gibt es in Schrifttum und Rechtsprechung unterschiedliche Ansichten zu der Frage der Wirksamkeit einer solchen Ausschlagungserklärung, wenn diese bei einem anderen EU-Gericht abgegeben wurde als dem Gericht, das grundsätzlich für diese Erbrechtsangelegenheit zuständig ist. Der EuGH hat nun entschieden, dass die Art. 13 und 28 der EU-Erbrechtsverordnung so auszulegen sind, dass eine von einem Erben vor einem Gericht des Mitgliedstaats seines gewöhnlichen Aufenthalts abgegebene Ausschlagungserklärung formwirksam erfolgt ist, wenn die in diesem Mitgliedsstaat geltenden Formerfordernisse eingehalten worden sind. Es ist nicht erforderlich, dass (darüber hinaus) diejenige Formerfordernisse erfüllt sind, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht beachtet werden müssen.

Die niederländischen Neffen haben folglich die Ausschlagung vor dem niederländischen Gericht (form)wirksam erklärt. Dieses muss das deutsche Gericht anerkennen, dem die Ausschlagung zur Kenntnis gebracht wurde.  

 

Anforderungen für grenzüberschreitende Erbausschlagung

Es stellte sich ebenfalls die Frage, ob bzw. welche Anforderungen an das Zur-Kenntnis-Bringen gestellt werden dürfen. Der EuGH führt aus: „Wie nämlich aus dem 67. Erwägungsgrund der Verordnung Nummer 650/2012 hervorgeht, setzt eine zügige, unkomplizierte und in effiziente Abwicklung einer Erbsache mit grenzüberschreitenden Bezug innerhalb der Union voraus, dass die Erben in der Lage sein sollten, ihren Status und/oder ihre Rechte und Befugnisse in einem anderen Mitgliedstaat einfach nachzuweisen.“ Gelten hierfür nun etwaige gesonderte Formerfordernisse (beglaubigte Abschrift, Übersetzung, womöglich angefertigt von einem vereidigten Übersetzer)? Der EuGH hierzu: „Daher sollte die Erklärung über die Ausschlagung der Erbschaft, die von einem Erben vor dem Gericht des Mitgliedstaats seines gewöhnlichen Aufenthalts unter Einhaltung der vor diesem Gericht geltenden Formerfordernisse abgegeben wurde, ohne dass eine solche Erklärung zusätzlichen Formerfordernissen des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Rechts unterworfen wird, Rechtswirkungen vor dem für die Rechtsnachfolge von Todes wegen zuständigen Gericht zeitigen, sofern das letztgenannte Gericht davon Kenntnis erlangt hat, dass diese Erklärung abgegeben wurde.“ Gesonderte Anforderungen an Form und Frist sind also nicht vorhanden, sofern die Formerfordernisse und Fristen in dem Staat eingehalten wurden, in dem die Ausschlagung bei Gericht erklärt wurde. Sicherlich verdient es hingegen den Vorzug, hierzu mit dem Nachlassgericht rechtzeitig in Kontakt zu treten und die Vorgehensweise einvernehmlich zu klären.

 

Einschätzung von unserer Rechtsanwältin für Erbrecht 

Unter dem Strich ist dieses meines Erachtens eine Entscheidung, die den Bedürfnissen der Praxis entgegenkommt und den Angehörigen in einem anderen EU-Land die Durchführung einer Erbausschlagung erheblich erleichtern kann.  

Fundstellen: ECLI:EU:C:2022:426; CELEX 62020CJ0617; BeckRS 2022, 12116

 

Fragen zu einer deutsch-niederländischen Erbsache?

Bei weiteren Fragen zu Erbsachen in Deutschland und den Niederlanden nehmen Sie gerne Kontakt auf mit unseren Anwältinnen für Familien- und Erbrecht:
bzw. Telefonzentrale 0031 53 484 0000.
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