Nehmen Sie gerne Kontakt auf mit
A. (Tono) Wevers
A. (Tono) Wevers Rechtsanwalt
Logo
Arbeitszeiterfassung Einschatzung Anwalt

Arbeitszeiterfassung: Pflichten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber - Einschätzung vom Rechtsanwalt

Lesezeit: 4 Minuten | Datum der Publikation: 04-11-2022 | Typ: Blog/Artikel

Viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben von dem Urteil vom Bundesarbeitsgericht zur Arbeitszeiterfassung gehört und fragen sich derzeit, was das für sie in der Praxis bedeutet. Das Urteil des BAG kam für viele überraschend. Die neue Rechtslage zur Dokumentation der vom Arbeitnehmer abgeleisteten Arbeitszeit wird in diesem Artikel von Tono Wevers, Rechtsanwalt für deutsches Arbeitsrecht, erklärt. Außerdem sollen die häufigsten Fragen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern beantwortet werden.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Arbeitszeiterfassung

Das Bundesarbeitsgericht hat Mitte September 2022 in einem Grundsatzurteil eine generelle Pflicht des Arbeitgebers festgestellt, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen. Zu diesem Ergebnis kam das BAG in Erfurt durch die unionsrechtskonforme Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes, diese hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits im Jahr 2019 im sogenannten „Stechuhr-Urteil“ vorgeschrieben.

Arbeitszeiterfassung Pflichten Arbeitgeber 

Hintergrund zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland

Bislang waren Arbeitgeber nach dem Arbeitszeitgesetz nur verpflichtet, Überstunden und Sonntagsarbeit ihrer Arbeitnehmer zu dokumentieren, aber nicht die totale Arbeitszeit der Arbeitnehmer. Eine solche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bestand zwar eigentlich bei einer unionsrechtskonformen Auslegung des bestehenden Arbeitsschutzgesetzes auch schon vor dem aktuellen BAG-Urteil, jedoch hatte (und hat) der deutsche Gesetzgeber bisher trotz des Stechuhr-Urteils des EuGH keine gesetzliche Regelung einer solchen ausdrücklichen Pflicht des Arbeitgebers zur vollständigen Erfassung der Arbeitszeit des Arbeitnehmers geschaffen.

Das Urteil des BAG dient nun zur Umsetzung der Vorgaben des EuGH in das deutsche Recht. Die Koalition hat die Umsetzung der europäischen Vorgaben im Koalitionsvertrag bereits antizipiert. Außerdem hat die Koalition festgestellt, dass zur Gewährleistung flexibler Arbeitszeitmodelle womöglich der Bedarf besteht, weitere Anpassungen im Hinblick auf die europäischen Vorgaben vorzunehmen. Es ist zu erwarten, dass die Koalition zur Regelung der Details der Arbeitnehmerzeiterfassung demnächst tätig wird. Bis ein solches Gesetz entworfen und in Kraft getreten sein wird, ist aber bereits jetzt die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts maßgebliches und geltendes Recht.

In dem vor dem BAG verhandelten Fall ging es eigentlich darum, festzustellen, ob Betriebsräten ein Initiativrecht bei der Einführung eines elektronischen Systems zur Erfassung der Arbeitszeit zusteht. Das BAG lehnt ein solches Initiativrecht mit der Begründung ab, es bestehe bereits eine gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers, die Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer zu erfassen und ein Initiativrecht könne nicht parallel, sondern ausschließlich alleinstehend, zu dieser Pflicht bestehen. Vereinfacht gesagt meint das BAG: Nein, das kann ein Betriebsrat nicht, aber das braucht er auch gar nicht, weil den Arbeitgeber nach der Rechtsansicht des BAG ohnehin eine gesetzliche Pflicht trifft.

 

Was bedeutet das Urteil für mich als Arbeitnehmer? Bin ich bzgl. der Zeiterfassung in der Pflicht?

Nein. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung trifft erst einmal ausschließlich den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer ist lediglich dazu verpflichtet, an einem von seinem Arbeitgeber eingeführten System zur Erfassung der Arbeitszeit mitzuwirken.

 

Arbeitnehmer: Ich will Zeiterfassung, aber mein Arbeitgeber führt sie nicht ein. Wie sollte ich darauf reagieren?

Der Arbeitgeber ist seit dem Urteil des BAG, als seit Mitte September 2022, dazu verpflichtet, die Arbeitszeiterfassung einzuführen. Sollte dies nicht erfolgen, ist zu empfehlen, gegebenenfalls mit anwaltlicher Hilfe dafür zu sorgen, dass die Erfüllung dieser Pflicht durch den Arbeitgeber auch durchgesetzt wird.

 

Folgen des Urteils für die derzeit bestehenden Arbeitszeitmodelle

Die Folgen dieses Grundsatzurteils sind aktuell noch nicht im Detail absehbar. Zwar steht fest, dass ein System zur Erfassung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber eingeführt werden muss, jedoch sind die genauen Umstände und Bedingungen der Arbeitszeiterfassung für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollumfassend absehbar. Die Veröffentlichung des vollständigen Urteils des BAGs könnte mehr Aufschluss über die Einzelheiten der Arbeitszeiterfassung bieten. Dieser Blogartikel kann deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

Einige Stimmen in der juristischen Fachwelt erwarten durch die Änderung der Rechtslage bereits das Ende von allen Arbeitszeitmodellen, welche auf Vertrauen basieren, also sogenannte Vertrauensarbeitszeit-Klauseln, etwa für „Homeoffice“ oder „flexibles Arbeiten“. Andere sehen durchaus Spielraum in der Umsetzung der europäischen Vorgaben durch den nationalen Gesetzgeber, absehbar sei danach zum jetzigen Zeitpunkt lediglich die Einführung eines solchen Systems zur Arbeitszeiterfassung an sich, aber noch nicht, welche Anforderungen an ein solches System konkret zu stellen sein werden.

Außerdem war es auch bisher schon so, dass eine Vielzahl an Arbeitszeitmodellen und Teilzeitmodellen eine individuelle Arbeitszeiterfassung erfordert. So besteht seit 2014 u.a. eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung im Personenbeförderungsgewerbe und in der Fleischwirtschaft. Auch für Minijobs gelten bereits Dokumentationspflichten.

Vertrauensarbeitszeitmodelle könnten somit auch weiterhin bestehen, aber die Arbeitswelt steht vor der Herausforderung, solche Modelle irgendwie mit der Pflicht zur Dokumentation der absolvierten Arbeitszeit in Einklang zu bringen.

Nicht auszuschließen ist (nach jetzigem Kenntnisstand) etwa, dass in künftigen Arbeitsverträgen Regelungen enthalten sein werden, durch die der Arbeitgeber versucht, dieses „Problem“ auf den Arbeitnehmer abzuwälzen. So könnte ein Arbeitgeber unter Umständen versuchen, seiner eigenen Pflicht zur Schaffung eines Zeiterfassungssystems nachzukommen, indem er seinerseits dem Arbeitnehmer die Pflicht auferlegt, seine tatsächlich konkret absolvierte Arbeitszeit zu dokumentieren und dem Arbeitgeber mitzuteilen. Man wird sehen, welche Praxis sich insofern demnächst als üblich und rechtssicher herausstellen wird. Möglicherweise bietet die ausführliche Urteilsbegründung des BAG, die demnächst veröffentlicht werden dürfte, Anhaltspunkte dafür, was insofern machbar ist und was eher nicht.

 

Welche Vorteile kann eine Arbeitszeiterfassung haben?

Eine Erfassung der Arbeitszeit kann für den Arbeitnehmer vorteilhaft sein. Diese Auffassung spiegeln auch die neusten Umfragen wider, in denen Arbeitnehmer nach ihrer Meinung zur Einführung der Arbeitszeiterfassung befragt wurden. Die Pflicht zur Dokumentation von Arbeitszeiten wirkt schließlich einer Ausbeutung von Arbeitnehmern entgegen und kann sich auch als hilfreich erweisen, dem Arbeitnehmer die eigenen tatsächlichen Arbeitszeiten aufzuzeigen, was unter anderem dabei helfen kann, Pausen- und Ruhezeiten einzuhalten. Auch Überstunden können durch ein elektronisches System der Arbeitszeiterfassung automatisch erfasst und berechnet werden. Nicht umsonst findet sich die Grundlage hierfür in einem Gesetz, das dem Arbeitsschutz dient.

 

Mein Fazit als Rechtsanwalt

Auch wenn das Urteil des BAG für den deutschen Gesetzgeber wohl noch einen umfassenden Regelungsbedarf im Hinblick auf die Einzelheiten zur Arbeitszeiterfassung schafft, so ist die Arbeitszeiterfassung der Arbeitswelt nicht unbekannt und es ist zu erwarten, dass sich ein solches System reibungslos in den Arbeitsalltag eingliedern wird. Zunächst sind jedoch die Urteilsgründe abzuwarten und werden die Einzelheiten durch den Gesetzgeber zu klären sein.

 

Kontakt bei Fragen zum deutschen Arbeitsrecht

Haben Sie Fragen zur Arbeitszeiterfassung in Ihrem Unternehmen? Oder wünschen Sie Beratung zu anderen arbeitsrechtlichen Aspekten in Deutschland oder den Niederlanden? Nehmen Sie gern Kontakt mit unserem deutschen Rechtsanwalt Tono Wevers auf via wevers@damste.nl oder +31 6 81 81 02 67.

Diese Information teilen: